gehalten von Hans Gerstetter, ev. Pfarrer und Freund der Familie
Schockiert, bestürzt, abgrundtief traurig, voller Fragen, auch Zweifel, wehmütige Erinnerungen, immer wieder Tränen in den Augen – so sind wir beieinander. Wir müssen Abschied nehmen von Jan.
Helfen kann uns, dass wir es gemeinsam tun: gemeinsam trauern, weinen, uns erinnern.
Helfen kann uns auch, wenn wir uns daran halten: In dieser schweren Stunde will Gott uns nahe sein – hilfreich und tröstend. Bei allen Fragen, allem Nicht-Verstehen uns trotzdem daran halten – das kann uns Halt geben und die Kraft zum Aushalten.
Paul Gerhard hat in leidvoller Zeit ein Lied geschrieben, mit dem er
Mut machen will, uns trotz allem Gott anzuvertrauen.
Wir singen miteinander Strophen aus seinem Lied – wer jetzt gerade eben singen kann...
Gebet: Ich
möchte beten mit Worten eines angefochtenen Menschen, der Schlimmes
durchmachen muss, sich aber doch an Gott festhält und dabei schließlich
Trost
erfährt:
Dennoch bleibe ich
stets an dir;
denn du hältst mich bei meiner rechten Hand,
du leitest mich nach deinem Rat
und nimmst mich am Ende mit Ehren an.
Wenn ich nur dich habe,
so frage ich nichts nach Himmel und Erde.
Wenn mir gleich Leib und Seele verschmachtet,
so bist du Gott, allezeit meines Herzens Trost und mein Teil
Wir
nehmen uns nun Zeit, in der Stille weiter zu beten und alle Gefühle,
die in uns
sind, vor Gott zu bringen.
Herr, wenn ich zu dir rufe, vor dir klage, dich bitte – dann hörst du mich. Und du gibst meiner Seele wieder Kraft. Amen
Mit unseren menschlichen Augen sehen wir nur das Ende, das jähe Ende
von Jans noch so jungem Leben: was da alles abgebrochen ist und nun
nicht mehr sein kann.
Als Lesung aus der Bibel hören wir einen Hoffnungstext, der weit
hinausschaut auf eine noch ganz andere Zukunft: eine kaum vorstellbare
Zukunft, auf die wir aber hoffen dürfen.
Eine Zukunft auch für Jan und gemeinsame Zukunft mit ihm...
Und ich sah einen
neuen Himmel und eine neue Erde. Und ich hörte eine Stimme vom Thron
her, die sprach: Siehe da, die Hütte Gottes bei den Menschen! Und er
wird bei ihnen wohnen, und sie werden sein Volk sein und er selbst,
Gott mit ihnen, wird ihr Gott sein; und Gott wird abwischen alle Tränen
von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch
Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen.
Und der auf dem Thron saß, sprach: Siehe, ich mache alles neu!
Als Symbol für dieses Hoffnungslicht brennt Jans Konfirmationskerze.
Jan hat diese Kerze selber gestaltet im Konfirmandenunterricht bei
meiner Frau. Und diese Kerze hat bei seiner Konfirmation gebrannt als
Zeichen für Gottes Versprechen:
„Ich will dich segnen. Ich will dich begleiten, was auch kommt, dein
Leben lang und bis in Ewigkeit.“
Heute brennt seine Kerze als Zeichen, dass Gottes Begleiten auch jetzt
nicht aufhört sondern weiterführt – durch die Dunkelheit des Todes und
der Trauer.
„Jan ist tot!“ – Unfassbar war diese Nachricht für uns alle. „Doch! Jan ist tot! Mit dem Motorrad verunglückt in Kalifornien ! Eine plötzliche Hirnblutung sehr wahrscheinlich, die Kontrolle verloren, schwer gestürzt. Aus dem Koma nicht mehr aufgewacht; und schließlich hat auch sein starkes Herz aufgehört zu schlagen.“
Mit der schweren Maschine durch diese herrliche Landschaft – sein Traum. Er war gerade dabei, ihn Wirklichkeit werden zu lassen. Und nun ist er zum Alptraum geworden.
Für euch, liebe Birgit und lieber Thomas, und auch für dich, liebe Maren, waren das entsetzliche Tage – nach dem Anruf mitten in der Nacht.
Erst Tage später zu ihm fliegen können; sich wund reiben an bürokratischen Hürden; wund in der Seele, sorgende Gedanken; die Hoffnung zunächst, ihn doch wieder mit nach Hause nehmen zu können – wie auch immer; alles für ihn tun – was auch immer er braucht. Die Zeit an seinem Bett, manchmal kaum auszuhalten; wachsende Befürchtung: doch kein Zurück! Und dann die fürchterliche Gewissheit: „Nie mehr! In diesem Leben nie mehr!“
Und du, Maren: zuhause mit-bangen; Gedanken und Gefühle durcheinander, sich quälen mit der Masterarbeit und doch nichts zustande bringen...
Wir können nur von ferne ahnen, was Ihr durchgemacht habt und seither aushalten müsst - an Schmerz, Trauer, Fragen, fast verzweifeln, nicht wissen, wie das alles verkraften...
Nur von ferne etwas ahnen – in unserem eigenen Schmerz, unserer Trauer: wir alle, die wir Jan gekannt haben, ihn gemocht, geschätzt, geliebt. Unser Mittrauern, Mitweinen kann euch zeigen: Wir fühlen uns euch nahe; wir wollen euch nahe sein.
Und ich hoffe, dass Ihr das als eine Stärkung erleben könnt – gerade auch heute an diesem Abschiedstag.
Gut getan haben euch schon in dieser schlimmen Zeit so manche Zeilen – von euren Freunden und Bekannten, aber auch von Jans Freunden, die ihr noch gar nicht gekannt habt, die mit ihm über Facebook vernetzt sind. Zeilen der Anteilnahme; Erinnerungen an Jan – mit Dankbarkeit, Wertschätzung; Schmerz darüber, einen ganz besonderen und wertvollen Menschen verloren zu haben.
Es hat euch gut getan. Im Spiegel von Freunden habt ihr euren Jan gesehen und dabei auch Facetten wahrnehmen dürfen, die euch so nicht ganz bewusst waren.
Ein paar von diesen Zeilen möchte ich lesen. Und wir alle können beim Hören unsere eigenen Erinnerungen an Jan innerlich dazulegen.
Ich kannte Jan mein halbes Leben lang. Und schaue ich zurück auf diese 15 Jahre, sehe ich einen stets lachenden Freund vor mir, der eine Lebensfreude und Energie ausstrahlt, die seines Gleichen sucht und dessen Verlust kaum mit Worten zu beschreiben ist.
Jan hat in seinem kurzen Leben gewirkt und er wirkt weiterhin - in uns und um uns herum!)
Jan, du bist einer der positivsten Menschen, die ich kenne.
Ich kann niemals die besonderen Momente vergessen, die wir miteinander geteilt haben. Du hast mir gezeigt, wie man das Leben leben sollte.
Wir alle vermissen Jan unendlich sehr; und in unseren Herzen wird er immer der verrückte, lebenslustige Jan sein, der für jeden Spaß zu haben war!
Einmal sind wir zum Snowboarden auf ne Schweizer Hütte gefahren. Wir haben das Bier im Kofferraum versteckt und die Milch oben drauf gestellt. An der Grenze sind wir angehalten worden und mussten 1 Euro Strafzoll pro Liter Milch bezahlen.
Es tut gut zu wissen, dass Jan immer 180-prozentig das gemacht und gelebt hat, was ihm wichtig war - und immer wusste, dass ihr ihn dabei unterstützt.
Ich weiß noch, wie Du auf unserer Hochzeit getanzt hast. Ich hoffe, lieber Jan, Du tanzt jetzt mit den Engeln!
Du warst mehr als nur ein guter Freund: du bist eine Bereicherung für jeden Menschen gewesen, in dessen Leben du getreten bist. Danke für den besten roadtrip meines Lebens; wir werden ihn irgendwann an einem anderen Ort gemeinsam fortführen. Du warst ein Engel unter Menschen und wirst uns immer als solcher in Erinnerung bleiben.
Solche Erinnerungen teilen, einander mitteilen: Das kann gut tun – auch
wenn es mit viel Wehmut und mit Tränen verbunden ist. Erinnern macht
schmerzlich bewusst, wie viel wir mit Jan verloren haben. Aber Erinnern
kann auch ein wichtiger Weg sein, um Jan im Herzen weiter bei sich zu
haben; bei allem äußeren Verlust ihn innerlich zu behalten.
Erinnerungen, unzählige Erinnerungen habt natürlich Ihr Drei!
Erinnerungen an den großen Bruder: Wie es manchmal nicht leicht war, als kleine und eher zurückhaltende Schwester neben ihm zu bestehen. Wie man aber zusammengehalten hat, wenn’s drauf ankam. Ab und zu war auch etwas Fürsorgliches zu spüren – als ein Zeichen für die Geschwisterliebe, ganz tief drinnen.
Erinnerungen an den Sohn: seine Geburt in Weingarten, die ersten Familienjahre in Ravensburg, der Umzug nach Göppingen, schließlich nach Manzen ins eigene Haus. Keine einfachen Umstellungen für den jungen Jan; aber er hat seinen Weg gefunden, seine Art zu leben: sich verlassen auf seinen klugen Kopf, nicht mehr Fleiß und Ehrgeiz als unbedingt nötig; Grenzen austesten, Erfahrungen selber machen wollen; immer wieder Neues ausprobieren, sich selber darin erproben.
Bogenschießen, Rettungsschwimmer bei der DLRG, zuletzt Tauchen.
Das fürsorgliche und besorgte Mutterherz hat er so manches Mal arg strapaziert. Den Vater hat er als Jugendlicher noch fürs Kajak-Fahren mit begeistert; und sie haben tolle Stunden miteinander und mit Freunden erlebt.
Auch in der Studienzeit voller Energie: Masterstudium in IT, Engagement im Studentenkaffee, unzählige Kontakte, Unternehmungen, Hobbies...
Wenn er nach Hause kam, hat er das ganze Haus erfüllt mit seiner Anwesenheit, seiner Lebensenergie.
Aber mehr und mehr habt ihr euren Jan in die Welt hinausziehen sehen. Sein Praktikum in Schweden, die Diplomarbeit in Südafrika; dort zum Abschluss drei unvergessliche gemeinsame Wochen von Vater und Sohn.
Während seiner Arbeit dann bei der Firma Harmann/Becker Einsätze in
China, in den USA, Zusammenarbeit mit Mitarbeitern aus der Ukraine, aus
Indien. Jan ist zu einem internationalen Menschen geworden: offen für
fremde Kulturen, tolerant gegenüber anderen Standpunkten.
Unter seinen Mails stand der Satz: „All people smile the same language.“
Die beiden letzten Jahre waren besonders intensiv – mit seinem berufsbegleitenden Studium am Wochenende.
Und er hatte so viele Pläne; er war dabei, sich nach der Schließung seiner Abteilung beruflich neu zu orientieren.
Aber vorher noch diese Auszeit: Mit Freunden zwei Wochen in den USA unterwegs – und dann der Traum: mit der Harley auf der „Route 66“. Dieser Traum ist zum Alptraum geworden – sein Leben abgebrochen, mit 31 Jahren erst. Und auf einmal ist alles abgebrochen, was vor ihm lag an Möglichkeiten, an Plänen ... Abgebrochen ist auch, was wir mit ihm zusammen noch erlebt hätten. Was wir erhofft, gewünscht haben an Begegnungen, Erfahrungen, Erlebnissen mit ihm – das alles kann nun so nicht mehr sein.
Und besonders bei euch, liebe Birgit, Thomas und Maren, ist vieles zusammenge-brochen in eurem Innern. Nichts ist mehr selbstverständlich. Als ob der Boden unter den Füßen wankt ...
Bohrende Fragen auch nach dem Warum – und keine Antwort... Keine
einleuchtende Antwort, die uns innerlich wieder ruhiger werden lassen
könnte.
Ja, auch als Christen haben wir keine solche Antwort. Die Frage nach
dem Warum ist auszuhalten, unbeantwortet auszuhalten. Aber entscheidend
ist dabei, dass wir sie dem sagen, der unser Gegenüber ist. „Mein Gott,
warum hast du mich verlassen?“ – so hat Jesus, der Gottessohn, bei
seinem qualvollen Sterben am Kreuz gerufen, gebetet und sich so an Gott
festgehalten, obwohl er sich von ihm verlassen fühlte.
Sich an Gott wenden – auch wenn er uns unverständlich und fern scheint: unsere Fragen, unseren Schmerz, unsere Wut vor ihm ausbreiten. Vor ihm auch klagen oder anklagen, warum er das nicht verhindert hat. Und wie schwer es jetzt fällt, noch an seine Güte und Liebe zu glauben.
Sich so an Gott wenden - das ist eine Form von Glauben. Kein naiv-kindliches Vertrauen mehr sondern ein „Dennoch-Glaube“. „Dennoch bleibe ich stets an dir.“ – So habe ich vorher gebetet mit Worten eines Menschen am Tiefpunkt seines Lebens.
„Leib und Seele verschmachten ihm“: kaum mehr auszuhaltendes Leid und Schmerzen – körperlich, seelisch. Dennoch, trotzdem bleibt er dran an seinem Gott. Und trotz aller Fragen hofft er darauf, dass dieser Gott ihn hält in seiner Haltlosigkeit; dass dieser Gott ihn trösten kann und wird; dass dieser Gott ihn leitet, begleitet und herausführt aus seinem tiefen Tal.
„Dennoch!“ Ich wünsche euch und uns allen, dass wir so beten können. Und dabei etwas erfahren von Halt und Trost und schließlich auch von Kraft zum Weitergehen.
Amen.
Dietrich Bonhoeffer hat ein bekanntes Gedicht geschrieben von Geborgenheit, von guten treuen Mächten, die uns behüten und trösten, was auch kommt. Ein Gedicht aus dem Gestapo-Gefängnis – mit dem möglichen gewaltsamen Tod vor Augen und seine Familie und seine Verlobte dann nicht mehr zu sehen.
Wir singen ein paar Strophen aus seinem Gedicht – als mögliche
Hilfe, Vertrauen zu fassen, trotz allem.
Liebe Trauergemeinde!.
- Nach der Beisetzung sind alle Verwandten und Freunde von Jan in die Frischauf-Gaststätte zu Kaffee und Gebäck eingeladen.
- Wir bedanken uns sehr herzlich für die musikalische Gestaltung bei Frau Bischoff und Frau Heil.
Freunde von Jan werden ihn nun aus der Kirche tragen und zum Friedhof
begleiten. Sein Bild und seine Kerze werden bei uns bleiben.
Das Bild von Jan will uns
sagen: Auch wenn er äußerlich von uns
genommen ist, wir dürfen ihn innerlich bei uns behalten – wie er war,
was er für uns war; seine Spuren, die er in unserem Leben hinterlassen
hat...
Die Kerze von Jan will uns daran erinnern: In die Dunkelheit von Jans Sterben und unserer Trauer will Gott sein Licht hereinleuchten lassen – Hoffnung und Geborgenheit, trotz allem.